Eine kleine Luftgeschichte
von Brigitte Endres
Mit Bildern, die von der Klasse 6a der Uhlandschule erarbeitet wurden
Es ist ein heißer Sommertag. Schwer brütet die Hitze über dem Städtchen. Die Leute stöhnen und wischen sich den Schweiß von der Stirn.
„Wie langweilig!“, denkt das kleine Lüftchen, das von weit oben hinunter schaut. All seine Kameraden halten brav ihr Mittagsschläfchen. „Diese Transusen! Hocken da und warten, bis der Abendwind sie holt.“ Das Lüftchen kann einfach nicht mehr stillsitzen. Und weil es ein rechter Luftikus ist und sich was traut, saust es mit einem frechen Pfeifen hinunter.
„Das tut gut!“, freut sich eine alte Frau, als es an ihrem verrunzelten Gesicht vorbeistreicht.
„Hoppla!“, ruft ein junges Mädchen, dem das Lüftchen den Rockzipfel anhebt.
„Verflixt noch mal!“, schimpft ein Mann, dem es das Streichholz auspustet, denn er wollte sich gerade eine Zigarette anzünden.
„Das macht Spaß!“, jauchzt das kleine Lüftchen und schnappt sich einen Papierflieger, der aus dem Schulhaus herabflattert. „Schaut mal, wie toll der fliegt!“, ruft ein kleiner Junge. Da laufen alle Kinder zum Fenster. Jetzt zeigt das Lüftchen, was es kann: Es lässt den Flieger elegant gleiten, schwindelerregend in die Höhe steigen, gefährlich herabtrudeln und gewagte Loopings drehen. Die Kinder staunen!
Aber da läutet die Schulglocke. Schnell verschwinden sie vom Fenster und setzen sich in ihre Bänke. Enttäuscht lässt das Lüftchen sein Spielzeug zu Boden fallen.
An der Ecke spielt ein Mann Akkordeon. Wusch!, saust es in das Instrument hinein. Singend und pfeifend kommt es wieder heraus.
Voller Übermut tanzt es auf der Straße und bläst einem älteren Herrn den Strohhut vom Kopf. „Na so was!“, sagt der und bückt sich. „Es hat sich doch heute den ganzen Tag noch kein Lüftchen gerührt.“ Da kichert das Lüftchen frech.
Der See im Stadtpark liegt ruhig in der sengenden Hitze. „Badewetter!“, ruft das Lüftchen, kühlt sich ein bisschen ab und treibt kleine Wellen vor sich her.
Neugierig streckt ein Karpfen den Kopf aus dem Wasser, er schnappt dankbar nach Luft.
Ein Schmetterling flattert matt auf der Rosenhecke. „Nur keine Müdigkeit vortäuschen!“, muntert ihn das Lüftchen auf, haucht ihn zärtlich an und trägt ihn ein Weilchen durch die Luft. Bunt schillern die prächtigen Flügel des Falters in der Sonne.
„Was ist die Welt doch schön!“, freut sich das Lüftchen.
Aber!
Da kommt ein dicker Junge. Der holt tief, tief Luft und atmet das Lüftchen einfach ein. Oh je! Er bläht die Backen auf und bläst das Lüftchen in einen großen roten Luftballon. Blitzschnell knotete er ihn zu. Das Lüftchen sitzt im Gummigefängnis!
Ade du schöne Welt! Der Junge wirft den Ballon hoch, kickt mit dem Fuß nach ihm und jagt ihn immer hin und her. Dem armen Lüftchen wird ganz schlecht. Doch auf einmal ist dem Lüftchen, als würde der Ballon hochgetragen, immer weiter und weiter. Durch die Gummiwand hört es leise das sanfte Rauschen des Abendwinds.
Da schwillt das Lüftchen plötzlich an. Es wird größer und größer. Im Ballon wird es enger und enger. Er dehnt und dehnt sich. Dann gibt es einen lauten Knall und der Luftballon zerplatzt! Juchhu! Das Lüftchen streckt und reckt sich und pustet die roten Ballonfetzen schnell weg.
„Danke lieber Abendwind!“, ruft es erleichtert. „Ich will auch bestimmt kein Luftikus mehr sein!“
Na, wir werden ja sehen.